Energiepreiskrise sorgt für beispiellos hohe Zahl an Anfragen
Verbraucherzentrale im Kreis Gütersloh stellt Jahresbericht 2022 vor
Rund 5.000 Menschen wenden sich mit ihren Anliegen an die Beratungsstelle
Turbulenter Energiemarkt und Teuerungen in nahezu allen Lebensbereichen führen bei vielen Haushalten zu massiver Belastung.
Verbraucherzentrale unterstützt schnell und zuverlässig und baut digitale Angebote aus.
Probleme mit Fakeshops, untergeschobenen Verträgen, nicht gelieferten Waren und Inkasso bleiben auf der Tagesordnung.
Die hohen Energiepreise und die gestiegene Inflation in Folge des russischen Angriffskrieges haben 2022 zu einer großen Belastung und Verunsicherung bei vielen Verbraucher:innen im Kreis Gütersloh geführt. Dies zeigte sich in einem wahren Ansturm auf die Beratungsstelle: 5.056 Ratsuchende (vgl. 2021: 4.240) wandten sich an die Verbraucherschützer:innen und erhielten aktuelle Informationen und rechtliche Beratung. „Zusätzlich zur Pandemie haben wir ein Krisenjahr erlebt, das bei vielen Menschen bestehende Probleme verschärft und neue aufgetan hat“, so Julian Lambracht, Leiter der Beratungsstelle, bei der Vorstellung des Jahresberichts.
Gasmangellage, Lieferstopps, massenhafte Preiserhöhungsschreiben der Energieversorger, Entlastungspakete – die oft nicht vorhersehbaren Entwicklungen und darauf folgenden Anfragewellen stellten auch die Beratungskräfte vor große Herausforderungen. „Mit laufenden Fortbildungen einerseits und der Weiterentwicklung digitaler Angebote andererseits konnten wir qualifiziert und zeitnah auf die vielfältigen Fragen und Sorgen eingehen“, sagte Lambracht. Um Wartezeiten auf eine individuelle Beratung zu vermeiden, wurden mit Online-Gruppensprechstunden und Videochat-Beratungen Kräfte gebündelt. Von laufend aktualisierten Informationen, Rechentools und interaktiven Musterbriefen auf der Internetseite der Verbraucherzentrale NRW sowie der zentralen Hotline profitierten auch die Bürger:innen des Kreises Gütersloh.
Rat zu Energierecht, Energiesparen und bei Zahlungsproblemen
Im Schnitt dreimal mehr als zuvor mussten die Haushalte 2022 für Gas bezahlen, für Strom etwa doppelt so viel. Nicht nur Menschen mit geringen Einkommen brachte das in finanzielle Nöte. Die Beratungsstelle gab Rat zur Rechtmäßigkeit von Preiserhöhungen, prüfte die Korrektheit von Abschlagsberechnungen, informierte zu möglichen Sozialleistungen und half bei drohenden Energiesperren durch die Versorger. Zugleich waren Informationen zum Energiesparen und zu Investitionen in energetische Sanierungen und erneuerbare Energien sehr gefragt.
Erfolgreich für die Ansprüche von Verbraucher:innen eingesetzt
Daneben beschäftigten die Beratungskräfte die ohnehin bestehenden Probleme der Verbraucher:innen etwa mit untergeschobenen Verträgen, Fakeshops im Internet, betrügerischen Inkassoschreiben sowie Ärger mit Reiseanbietern oder Telekommunikationsunternehmen. Bei 1.801 Rechtsberatungen und -vertretungen haben sich die Verbraucherschützer:innen zumeist erfolgreich für die berechtigten Ansprüche von Ratsuchenden eingesetzt.
Beispielsweise buchte eine Bank aus dem Kreis Gütersloh 75 EUR pro Kontopfändung von dem Pfändungsschutzkonto eines Kunden ab. Die Verbraucherzentrale unterstütze den betroffenen Verbraucher bei der Rückforderung der zu Unrecht gebuchten Kosten und mahnte das Verhalten der Bank ab. Die Bank unterzeichnete eine Unterlässungserklärung und verzichtet zukünftig auf die Erhebung solcher Gebühren.
Krisenzeit sorgt für Lieferengpässe und ruft Betrüger auf den Plan
Ob E-Bikes, elektronische Geräte oder Möbel: Die weltweit gestörten Lieferketten führten im vergangenen Jahr zu teils langen Wartezeiten auf bestellte Waren. „Vor allem, wenn schon Vorkasse geleistet wurde, war der Frust groß“, berichtete Beratungsstellenleiter Lambracht. Die Verbraucherschützer:innen halfen mit Informationen rund um das Kaufrecht und gegebenenfalls auch dabei, von Verträgen zurückzutreten und bereits überwiesenes Geld zurückzuholen.
Dass manche Dinge knapp, begehrt oder in seriösen Shops gar nicht zu haben waren, rief auch vermehrt betrügerische Internetanbieter auf den Plan. In den täuschend echt aussehenden Fakeshops gab es Brennholz, Generatoren und Solaranlagen, aber auch Gaming-Zubehör oder Haushaltsgeräte zu scheinbar unschlagbaren Preisen. „Wer hereingefallen war und Vorkasse geleistet hatte, sah sein Geld in der Regel nicht wieder und konnte nur Anzeige erstatten. Mit dem Online-Tool Fakeshop-Finder hat die Verbraucherzentrale 2022 aber ein nützliches Werkzeug geschaffen, um vorab die Seriosität von Shops zu prüfen“, so Lambracht.
Bedrohliche Inkasso-Forderungen abgewendet
Auch 2022 sorgten massenhaft falsche Inkassoschreiben für Schrecken bei den Verbraucher:innen im Kreis. Angesichts drohender Mahnbescheide, Zwangsvollstreckungen oder Pfändungen von vermeintlichen Anwaltskanzleien oder Behörden fühlten sich viele gedrängt, die verlangten Summen etwa für ein angeblich abgeschlossenes Glücksspiel-Abo zu bezahlen. Die Beratungsstelle sorgte für Aufklärung und riet, den Forderungen zu widersprechen. Nach wie vor berechnen Inkassounternehmen zudem bei berechtigten Forderung zu hohe Verzugskosten.
„289,50 Euro sollte ein Rietberger beispielsweise für eine angebliche Teilnahme am Eurojackpot bezahlen, ansonsten drohe die gerichtliche Durchsetzung der Forderung“, berichtete Julian Lambracht. Aufgrund zahlreicher identischer Nachfragen prüfte die Beratungsstelle das Schreiben und stellte fest, dass es sich um eine Betrugsmasche handelte.
Photovoltaik, Wärmepumpe oder Strom vom Balkon?
Die Energiepreiskrise und die daraus resultierenden Verunsicherungen bestimmten die immens hohe Informationsnachfrage. Wie kann ich meinen Energieverbrauch senken? Welche Heizung ist die richtige? Ist Photovoltaik, eine Wärmepumpe oder eine Kombination von beidem die richtige Wahl? Welche Fördermittel gibt es? Auf solche Fragen gab die Energieberatung in zahlreichen Vorträgen, Online-Seminaren und an Infoständen Auskunft. Auch Mieter:innen erhielten Tipps, wie sie die steigenden Kosten im Blick behalten und selbst aktiv werden können – etwa durch einfache Spar- und Effizienzmaßnahmen oder eigene Stromerzeugung durch Stecker-Solargeräte. Denn eins ist klar: In fast jedem Haushalt verstecken sich Einsparpotenziale, die es aufzudecken und zu nutzen gilt. Das nützt dem eigenen Geldbeutel, aber auch dem Klima.
An einem Infostand im Rahmen der Gütersloher Klimawoche hat das Team rund um Energieberater Ulrich Honigmund an einem Solarbike präsentiert, wie Solarstrom passgenau zum Einsatz kommen kann.
Julian Lambracht, Leiter der Beratungsstelle, und Hilal Gebedek, Verbraucherberaterin, informierten über die Arbeitsschwerpunkte 2022 der Verbraucherzentrale in Gütersloh. (Foto: Verbraucherzentrale NRW)