NS-Geschichte im Unterricht: Kreisarchiv bietet Unterrichtsmaterial und Quellenworkshop

Gütersloh. Mit einem Materialreader und einem Workshopangebot zur Geschichte des Nationalsozialismus erweitert das Kreisarchiv Gütersloh seinen Service für Schulen und Lehrkräfte. Auf über 100 Seiten bereitet die gerade erschienene Quellensammlung ‚Der Nationalsozialismus in den Kreisen Halle und Wiedenbrück‘ Akten aus dem Archiv auf, die das Leben im NS-Regime mit Fallbeispielen aus den Gemeinden und Städten des heutigen Kreis Gütersloh illustrieren. Auszüge aus Wiedergutmachungsakten, Verwaltungsberichten und Zeitungen zeigen, wie nationalsozialistische Propaganda und Organisationen vor Ort Fuß fassten und führen die Verfolgung von jüdischen Menschen und politischen Gegnern vor Augen.

„Die Geschichte des Nationalsozialismus fand nicht nur in Berlin und München, Buchenwald oder Stalingrad statt, sondern auch in Rietberg und Versmold“, so Archivpädagoge Dr. Franz Jungbluth, der die Quellen der Sammlung ausgewählt und bearbeitet hat. Neben der regionalen Geschichte sollen diese auch ein Gefühl für das Alltagsleben in der NS-Zeit geben. „Vor dem Krieg und außerhalb der Konzentrationslager gab es genügend Deutsche, die vom NS-Unrecht nicht direkt betroffen waren. Aber es war trotzdem allgegenwärtig und nicht zu übersehen“, so Jungbluth mit Blick auf sozialdemokratische und katholische Politiker, die in Lagerhaft kamen, weil sie die falschen Zeitungen oder Flugschriften in ihrer Bibliothek hatten oder auf das Verbot und die Gleichschaltung von Vereinen und Organisationen, die nicht zur NSDAP oder Hitlerjugend gehörten. Auch das Grauen des Holocausts kündigte sich deutlich vor der Deportation in Gettos und Vernichtungslager an – spätestens als jüdische Menschen Obdach und Existenz verloren, weil am 9. November 1938 nicht nur Synagogen, sondern auch ihre Wohnhäuser und Betriebe in Brand gesteckt wurden.

Der Materialreader, der zum 85. Gedenktag des Pogroms erscheint, konzentriert sich auf diese Perspektive vor Ort und sieht sich nicht als Ersatz für vorhandenes Unterrichtsmaterial, sondern als Ergänzung und Vertiefung. „Wir haben die Quellen so zusammengestellt, dass man das Leben zur NS-Zeit konkret an einzelnen Personen und Ereignissen aus der eigenen Nachbarschaft nachvollziehen kann. Das erreicht hoffentlich auch den Einen oder die Andere, bei denen Geschichte nicht das große Lieblingsfach ist“, sagt Kreisarchivar Ralf Othengrafen, der die Veröffentlichung initiiert hat und die Arbeit mit Archivbeständen im Schulunterricht weiter fördern will. Lehrkräften, die mit ihrer Klasse oder ihrem Kurs noch intensiver mit Originalquellen aus der NS-Zeit arbeiten möchten, bietet das Kreisarchiv beispielsweise einen dreistündigen Workshop an, der sowohl in den Archivräumen in Gütersloh als auch an den jeweiligen Schulen stattfinden kann.

Ansichtsexemplare der Quellensammlung werden in den nächsten Tagen an alle weiterführenden Schulen im Kreisgebiet verschickt. Für die Bestellung weiterer Hefte sowie Anfragen zu den Workshops können sich Lehrkräfte und Schulen (oder andere Einrichtungen der politischen Bildung) gerne unter archiv@kreis-guetersloh.de an das Kreisarchiv wenden oder den Reader unter www.kreis-guetersloh.de/archiv herunterladen

Präsentieren die gerade erschienene Quellensammlung ‚Der Nationalsozialismus in den Kreisen Halle und Wiedenbrück‘ im Lesesaal des Stadt- und Kreisarchivs Gütersloh: Kreisarchivar Ralf Othengrafen (l.) und Dr. Franz Jungbluth. Der Archivpädagoge Jungbluth hat die Quellen ausgewählt und bearbeitet.                                        Foto: Kreis Gütersloh