Wirtschaftsminister Pinkwart: Wir müssen Handelshemmnisse abbauen, Genehmigungen beschleunigen und Sekundärrohstoffe nutzen, um Engpässe zu überwinden
Umweltministerin Heinen-Esser: Die Sägewerke sollten die Waldbesitzer an den Erlösen teilhaben lassen
Bauministerin Scharrenbach: Die Energie- und Mobilitätswende werden unmittelbar zu einer Baumaterial-Wende führen
Die sprunghaft steigende Nachfrage nach Rohstoffen und Baumaterialien trifft weltweit auf ein eingeschränktes Angebot. Viele Lieferanten kommen mit der Produktion nicht nach, die Pandemie sorgt weiterhin für Ausfälle. Die Preise für Stahl, Schnittholz oder Dämmstoffe steigen, Schlüsselprodukte wie Halbleiter stehen nicht in ausreichender Menge zur Verfügung. Die Probleme sind bekannt – nun sind Lösungen gefragt. Dazu haben Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Bauministerin Ina Scharrenbach und Umweltministerin Ursula Heinen-Esser sich am Donnerstag mit rund 30 Vertretern aus Handwerk, Bau und Industrie bei einem virtuellen Materialgipfel ausgetauscht.
Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: „Lieferengpässe und steigende Preise für Rohstoffe und Materialien sind deutliche Zeichen, dass es nach dem tiefen pandemiebedingten Einbruch wieder aufwärtsgeht. In einigen Fällen dürften sich die Nachfrage bald normalisieren und Produktionsketten wieder rund laufen. In vielen Bereichen werden uns die Engpässe aber noch eine Weile begleiten.
Deshalb ist die Politik jetzt gefordert, die internationalen Warenströme ungestört laufen zu lassen: Europa muss sich für die Lockerung von Ex- und Importbeschränkungen, Handelsabkommen und den Abbau von Sonder- und Strafzöllen einsetzen. Zudem brauchen Betriebe Planungssicherheit, dass es sich lohnt, die Kapazitäten zu erweitern – das gelingt nur mit besseren Investitionsbedingungen. Deshalb vereinfachen und digitalisieren wir in Nordrhein-Westfalen die Planungs- und Genehmigungsverfahren. Außerdem wollen wir die Nutzung von Sekundärrohstoffen als Ersatzbaustoff erleichtern. Bei deutlichen Kostensteigerungen in laufenden Projekten appelliere ich an die Vertragspartner, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und Kompromisse auszuhandeln. Bei Neuaufträgen können Preisgleitklauseln helfen, die Unternehmen vor dem Risiko von Preissteigerungen zu schützen.“
Bauministerin Ina Scharrenbach: „Ohne Baumaterial kein Bauen, ohne bezahlbares Baumaterial kein bezahlbares Bauen. Die aktuelle Situation wird nachhaltig wirken: Auf die Neubautätigkeit sowie auf Miete und Eigentum. Das hat weitere Konsequenzen: Die Energie- und Mobilitätswende werden unmittelbar zu einer Baumaterial-Wende führen. Viele Ausgangsstoffe werden für anschließende Produktionsprozesse nicht mehr zur Verfügung stehen. Es benötigt daher dringend eine Forschungs- und Entwicklungsinitiative im Baubereich, um zu alternativen Baumaterialien zu kommen. Diese Knappheit ist ein Fingerzeig auf das, was in der Zukunft zu erwarten sein wird.“
Umweltministerin Ursula Heinen-Esser betonte die Bedeutung der regionalen Wertschöpfungskette und der regionalen Holzwirtschaft: „Holz spielt bei der Erreichung der ökologischen und klimatischen Ziele eine wichtige Rolle. Die Nutzung von Holz bindet Kohlenstoff und erspart den Einsatz nicht regenerativer Werkstoffe wie Beton, Stahl oder Kunststoffe. Preissteigerungen und Lieferengpässe auf den Märkten von Schnittholz und Holzwerkstoffen bergen für das heimische Baugewerbe, in der Folge auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher unkalkulierbare Risiken. Die Krise an den Rohstoffmärkten zeigt, wie wichtig auch in Zukunft die nachhaltige Holzproduktion in unseren heimischen Wäldern ist. Damit dies gelingt, muss aktuell Käferholz angemessen bezahlt werden und das Schnittholz nicht nur in die Weltmärkte, sondern auch in die regionalen Märkte gebracht werden.“ Zugleich sei die Entwicklung innovativer Baustoffe und ein konsequentes Recycling von Baustoffen erforderlich.
Andreas Ehlert, Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf: „Materialengpässe und explodierende Preise gefährden nicht nur die ehrgeizigen Ziele beim Wohnungsbau und der energetischen Gebäudesanierung – sie sind auch ein wesentlicher Inflationstreiber. Zudem kann die Materialkrise zu einer echten Konjunkturbremse werden und dem schnellen Aufschwung nach der Krise im Weg stehen. Deshalb ist es gut und wichtig, dass die Landesregierung auf Initiative des Handwerks einen Materialgipfel organisiert hat, um mit allen Beteiligten der Lieferkette über Lösungen zu sprechen.“
Arndt G. Kirchhoff, Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen (unternehmer nrw): „Die Corona Pandemie war und ist eine einmalige Herausforderung für unsere weltweit vernetzte Industrie. Bis jetzt merken wir die Spätfolgen von Grenzschließungen und Produktions-unterbrechungen. Zusätzliche Engpässe spüren wir überall dort, wo die Nachfrage schneller wächst als die Produktion kurzfristig mithalten kann. Damit sich diese Störungen in einzelnen Branchen nicht zu dauerhaften Wachstumsbremse für die Gesamtwirtschaft entwickelt, braucht es eine Wirtschafts- und Außenpolitik, die sich umfassend für offene Märkte und den Zugang zu strategisch wichtigen Rohstoffen einsetzt. Ausfuhrbeschränkungen, die im Widerspruch zu geltenden Freihandelsabkommen stehen, sind umgehend wieder abzubauen. Langfristig müssen sich die Investitionsbedingungen in NRW, Deutschland und Europa so weit verbessern, dass es gerade in Schlüsselbranchen attraktiver wird, den europäischen Markt durch eine Produktion innerhalb des Binnenmarktes zu bedienen.“
Die Ergebnisse des Gipfels wird Wirtschaftsminister Pinkwart am 17./18. Juni in die Wirtschaftsministerkonferenz (WMK) einbringen, zu der die Landeswirtschaftsministerinnen und -minister sowie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in Düsseldorf zu Gast sind. Die WMK hatte die Bundesregierung um einen Bericht gebeten, wie die Politik zur Überwindung der Engpässe beitragen kann.