Rietberg. Passend zum Jubiläumsjahr ‚1700 Jahre jüdische Geschichte in Deutschland‘ erscheint in der Schriftenreihe des Kreisarchivs Gütersloh das Tagebuch des Isaac Löwenstein (1796-1871) aus Neuenkirchen. Im Oktober 1820 wurde Isaac Löwenstein zum aktiven Militärdienst in der preußischen Armee einberufen, den er als einfacher Soldat in der Bundesfestung Luxemburg absolvierte. Auf mehr als hundert Seiten notierte er in seinem Tagebuch, was ihm auf der Reise von Westfalen nach Luxemburg, während seines Aufenthaltes in der Bundesfestung und schließlich auf der Rückreise geschehen ist. „Diese Veröffentlichung ist etwas ganz besonderes und ich freue mich, dass dies pünktlich zum Jubiläumsjahr geschieht“, so Landrat Sven-Georg Adenauer.
Dieses Tagebuch eines jungen Mannes erlaubt den Leserinnen und Lesern, einen Blick zurück in eine Welt zu werfen, die nicht im Mittelpunkt der Geschichtsbücher steht. Es gibt ihnen einen Eindruck vom alltäglichen Leben in der preußischen Armee. Nur wenige solcher Tagebücher existieren überhaupt noch. Dass es sich dabei zudem um die Aufzeichnungen eines jüdischen Rekruten handelt, macht es besonders außergewöhnlich.
Das Buch begleitet den jungen Isaac Löwenstein auf seinem Fußmarsch von Neuenkirchen nach Luxemburg und wieder zurück, durch städtische Zentren wie Dortmund und Köln, durch die idyllischen Rhein- und Mosellandschaften, aber auch durch die bitterarme Eifel. Das Tagebuch führt uns in seinen Einträgen aber auch immer wieder zurück in den Heimatort Löwensteins, nach Neuenkirchen. Zu seiner Familie, zur jüdische Gemeinde und zur jüdischen Schule, in der er so umfassend gebildet wurde.
Das Tagebuch, das im Leo Baeck Institut in New York aufbewahrt wird, ist nunmehr als 16. Band der Veröffentlichungen aus dem Kreisarchiv Gütersloh erschienen. Es ist die bisher umfangreichste Veröffentlichung in der Schriftenreihe, wie Kreisarchivar Ralf Othengrafen betont. Das liegt an den intensiven Forschungsarbeiten der Autorin Dr. Marion Kant, die an den Universitäten von Cambridge und Pennsylvania lehrt. Sie hat sich nicht nur die Mühe gemacht, das Tagebuch (und die überlieferten Notizbücher) zu übertragen, zu bearbeiten und zu kommentieren. Sie hat die Texte vor allem in die zeitgenössischen Entwicklungen und Diskussionen eingebunden. Es geht um deutsch-jüdische Identitäten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es geht um die Entfaltung der Persönlichkeit eines jungen Mannes. Es geht aber auch immer wieder um die Familie Isaac Löwensteins. Dieser langen und wechselvollen Geschichte der weitverzweigten Familie Löwenstein hat sich Manfred Beine, der ehemalige Stadtarchivar von Rietberg, in einem eigenen, ausführlichen Kapitel angenommen.
Das Buch ist finanziell durch die Stiftung der Sparkasse Rietberg unterstützt worden. Es wird gemeinsam vom Kreisarchiv Gütersloh, vom Stadtarchiv Rietberg, vom Heimatverein Neuenkirchen und von der Historischen Kommission für Westfalen herausgegeben.
Info
Manfred Beine, Marion Kant und Ralf Othengrafen (Hgg.): Ein westfälischer Jude in der preußischen Armee. Isaac Löwenstein aus Rietberg-Neuenkirchen und sein Tagebuch 1821-1823, Bielefeld 2021 [= Veröffentlichungen aus dem Kreisarchiv Gütersloh 16, Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen Neue Folge 77], 440 Seiten, zahlr. Abb. und Karten, ISBN 978-3-7395-1246-4, 29 Euro.
Bezug über den Buchhandel oder direkt über den Verlag: www.regionalgeschichte.de
Das Buch ist ebenfalls im Kunsthaus Rietberg – Museum Wilfried Koch, Emsstraße 10, 333397 Rietberg, erhältlich.
Bei der Buchvorstellung in Neuenkirchen: (v.l.) Dr. Burkhard Beyer (Historische Kommission für Westfalen), Landrat Sven-Georg Adenauer, Kreisarchivar Ralf Othengrafen, Frank Ehlebracht (Vorstandsvorsitzender Stiftung der Sparkasse Rietberg), Manfred Beine (ehemaliger Archivar der Stadt Rietberg, Buchautor und Herausgeber), Heiner Schoppengerd (Heimatverein Neuenkirchen) und Andreas Sunder (Bürgermeister der Stadt Rietberg). Foto: Kreis Gütersloh