Ein Grab am Pfostenwald? Archäologische Fundstelle in Harsewinkel gibt Rätsel auf

Harsewinkel (lwl). Im künftigen Baugebiet an der Thomas-Mann-Straße in Harsewinkel (Kr. Gütersloh) wird eine über 2.000 Jahre alte Fundstelle mit hunderten von Pfostengruben untersucht. Auch ein Brandgrab konnte bereits entdeckt werden. Die Archäologie-Fachleute des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) rätseln nun gemeinsam mit dem Grabungsteam über die Bedeutung der Pfosten.

Was bisher geschah

Schon bei den 2020 durchgeführten Ausgrabungen im gegenüberliegenden Baugebiet „Oldenhof“ wurde ein für die Ortsgeschichte von Harsewinkel bedeutsamer Siedlungsplatz des Mittelalters entdeckt. Nun geht es auf der anderen Straßenseite weiter. Im Vorfeld der Errichtung einer Schule sowie einer Kindertagesstätte an der Thomas-Mann-Straße sind bei der Sondierung des Bauareals erneut Bodendenkmäler zum Vorschein gekommen.

Andreas Harneke vom Fachbereich Bauen der Stadt Harsewinkel zu den Untersuchungen: „Wir wollten das Baugebiet schon deutlich vor dem eigentlichen Baustart sondieren lassen, damit es in der Bauphase keine Komplikationen gibt und wir freie Bahn haben. Das hat am Oldenhof bereits sehr gut funktioniert“. Die Untersuchungen hatte die LWL-Archäologie für Westfalen aufgrund des nahegelegenen Fundplatzes gefordert: „Wir haben uns von Anfang an eng mit der Stadt abgestimmt, da bereits von vornherein klar war, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen der Siedlungsgunst Bodendenkmale auftreten werden“, so Dr. Sven Spiong, Leiter der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen.  

Zahlreiche Postengruben, Keramikscherben und ein Brandgrab

Im hellen Sandboden zeichneten sich dann auch nach einigen Metern des Oberbodenabtrags bereits die ersten dunklen Verfärbungen ab. „Es handelt sich um Erdverfärbungen, die von ehemalige Pfosten stammen“, weiß Grabungsleiter Dr. Christopher Otto: „wir haben schon in den Suchschnitten eindeutige Pfostenspuren dokumentiert, woraufhin klar war, dass die Grabungsfläche erweitert werden musste.“  

Mittlerweile wurde ein Großteil der Fläche untersucht und die Bodenverfärbungen von den Fachleuten dokumentiert. Die Arbeiten werden voraussichtlich in den nächsten Wochen abgeschlossen sein.

Ein vorgeschichtliches Gräberfeld?

Jedoch stellt diese Fundstelle zurzeit noch mehr Fragen, als sie Antworten liefert. „Wir finden fast nur Pfostengruben, mittlerweile weit über 250 Stück. Die sonst so typischen Siedlungsgruben fehlen auf der Fundstelle offenbar vollständig. So etwas ist mir bisher in Westfalen nicht bekannt“, erklärt Sebastian Düvel, Wissenschaftlicher Referent bei der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen. „Es scheint sich nicht um einen Siedlungsplatz im klassischen Sinne zu handeln. Wir können aus den Pfostengruben bisher keinerlei Gebäude rekonstruieren, wie es etwa am Oldenhof der Fall war. Auch Keramik, das typische Fundmaterial einer Siedlung ist außerordentlich rar“, so Düvel weiter. Ein unlängst entdecktes Grab, bei dem ein Leichenbrandhaufen mit Scheiterhaufenrückständen überdeckt war, steht vermutlich im Zusammenhang mit dem „Pfostenwald“. Auch ein rituell genutzter Platz ist in diesem Kontext möglich. Nach den ersten Einschätzungen datiert die Fundstelle wohl in die Jahrhunderte vor Christus und damit in die Eisenzeit. Eine genauere Deutung und Datierung erhoffen sich die Fachleute von der Auswertung des spärlichen Fundmaterials und besonders durch die Altersbestimmung von geborgenen Holzkohleproben. Nach wie vor ist die Ausdehnung der Fundstelle unklar. Es bleibt abzuwarten, welche Informationen der Boden in den kommenden Wochen noch preisgibt.

Eines ist den Fachleuten heute aber schon klar: Der Platz an der Thomas-Mann-Straße hatte vor mehr als 2.000 Jahren offensichtlich eine ganz besondere Bedeutung.

Fotos: LWL/S. Düvel /C. Dües