Gewässerschau von Kreis und Kommunen: Der kritische Blick aufs fließende Wasser

Gütersloh. Wie jedes Jahr finden aktuell die Gewässerschauen statt. Und meistens, so wissen die Beteiligten, ist das Wasser in den Gräben und Bächen vor allem eines: ‚Zu‘.

Zu hoch oder zu niedrig – je nach Sichtweise der Nutzenden. ‚Zu nass‘ meinen Grundstücksbesitzer, deren Keller nicht richtig abgedichtet ist, ‚zu trocken‘ meinen Naturschützer oder Landwirte, die Getreide anbauen. ‚Wasser zu hoch‘‚ meinen Flächenbesitzer mit Grünland, ‚nicht genügend Wasser‘ finden Spargelbauern oder die Betreiber von Sonderkulturen, wie Erdbeeren. Meike Aulich aus der Abteilung Tiefbau des Kreises Gütersloh fasst in einem Satz zusammen: „Gewässerunterhaltung ist immer eine Gratwanderung.“

Und die machen sie heute wieder. Meike Aulich und Jan-Philipp Brenneker von der unteren Wasserbehörde des Kreises treffen sich morgens um neun am Rathaus Gütersloh mit Sebastian Schleithoff und Felix Wittenbrink vom Fachbereich Grünflächen der Stadt Gütersloh. Gemeinsam will man etliche kritische Stellen an Gewässern begutachten. Bürgerinnen und Bürger sind ebenfalls eingeladen; gekommen ist niemand.

Am Wiedey-Flüsschen in Spexard, unweit der Straße Stückerkamp ist die erste Besichtigung. Es gab eine Meldung seitens Anwohnenden, dass der Wasserstand in dem Gewässer deutlich gestiegen sei. Hier läuft das Gewässer über ein städtisches Grundstück, das als Biotopfläche ausgewiesen ist und jährlich von einem Wanderschäfer unterhalten wird.

„Die Gewässer wachsen nicht mit“, thematisiert Felix Wittenbrink die zunehmenden Wasser-Abflussmengen. Zusätzliche Baugebiete und Nachverdichtungen führten dazu, dass bei Regen immer mehr Wasser schnell in die so genannten Vorfluter eingeleitet werden. Das ist es aber in diesem Fall nicht. Der von Anwohnenden gemeldete hohe Wasserstand ist bereits wieder gesunken. Die Fachleute erklären sich das so: Oberhalb haben Mäharbeiten stattgefunden, infolgedessen hat es einen verstärkten Abfluss aus den gesättigten Flächen gegeben. Das hat zu der gefühlten ‚Welle‘ geführt. „Überflutung ist hier temporär gewollt“, stellt Wittenbrink fest. Also alles kein Grund zur Sorge. Weiter geht es…

Am Bekelbach im Naturschutzgebiet Große Wiese wird ein zukünftiger Renaturierungsabschnitt besichtigt. Das Problem: Es gibt entlang des Gewässers zu wenig Fläche zum Ablagern des Mähgutes. So türmt sich das ausgeschnittene Pflanzenmaterial am Ufer zu Wällen auf, was nicht gewollt ist. Abhilfe könnte hier eine so genannte Walkantfräse schaffen. Ein Gerät, das das Schnittgut bis zu zehn Meter weit in die Flächen links und rechts des Gewässers pustet. „Kommt aus Holland“, sagt Wittenbrink, „die können sowas.“ Das ist ein Uferrandgrubber, der die Verwallung abschälen kann. Doch dazu benötigt man Freiraum. Hier sind aber Weidezäune im Weg.

Wieder gibt es einen Konflikt. Es gilt, verschiedene Interessen und Belange miteinander in Einklang zu bringen. Anwohnende wollen keine Maßnahmen, die den Grundwasserspiegel steigen lassen, der Naturschutz schon. Wiesen sollen vernässt sein, denn die Große Wiese ist Feuchtwiesenschutzgebiet. „Auch hier sind wir bemüht, die berechtigten Anliegen aller Beteiligten zu hören und abzuwägen“, sagt Aulich. Das definierte Ziel zur Entwicklung der Renaturierung: Eigendynamik des Gewässers fördern.

Die dritte Wanderung führt an einen Graben am Hansmertenweg in Avenwedde. Erschwert ist hier die Unterhaltung, teilweise vermüllt der Bach. „Aus den Augen, aus dem Sinn“, sagt Wittenbrink, der Gärtnermeister kopfschüttelnd: „Die Leute glauben, sie könnten ihren Rasenschnitt und anderen Grünmüll einfach mal eben über den Zaun werfen“. Und nicht nur das. Auch Inanspruchnahme von Flächen, teilweise Bebauung bis in den Bach hinein ist zu sehen. Hier wird im innerstädtischen Bereich zweimal jährlich unterhalten. Das sei teuer, sagt der städtische Mitarbeiter. Die Anlagen, die er gerade vor Augen hat, seien ohne Genehmigung errichtet worden und hätten auch keinerlei Bestandsschutz.

Die Anforderungen an Gewässer und ihre Unterhaltung wachsen kontinuierlich. Natürliche Retentionsräume, eine durchdachte Renaturierung und ein angemessener Umgang mit Interessenskonflikten sind entscheidend, um eine nachhaltige Entwicklung zu sichern.

Doch eines ist klar: Unsere Gewässer sind nicht unbegrenzt anpassungsfähig. Eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten ist notwendig, um den vielfältigen Herausforderungen gerecht zu werden.

Gewässerschau

Die Gewässerschau findet jährlich vor Beginn der Vegetationsperiode statt. Gemäß Paragraph 95 des nordrheinwestfälischen Landeswassergesetzes (LWG) ist in regelmäßigen Zeitabständen bei Fließgewässern eine Gewässerschau durchzuführen. Gewässerunterhaltung ist in der Wasserwirtschaft die Bezeichnung für Unterhaltungsmaßnahmen zur Pflege und Entwicklung von Gewässern mit dem Ziel der Erhaltung und Verbesserung der wasserwirtschaftlichen und naturräumlichen Funktion.

Denn: Die Aufgabe der Gewässerunterhaltung, die sicherstellen soll, dass das Wasser ohne Hindernisse abfließen kann und Uferbereiche erhalten bleiben, teilen sich in der Regel Kommunen (Gewässerbett) und die Eigentümer der Grundstücke (Uferbereich).

Begutachten Bäche im Kreis Gütersloh und besprechen erforderliche Maßnahmen (v. l.): Sebastian Schleithoff (Stadt Gütersloh), Jan-Philipp Brennenker (Kreis Gütersloh), Felix Wittenbrink (Stadt Gütersloh) und Meike Aulich (Kreis Gütersloh).