Es herrschte hektisches Treiben in den Himmelswerkstätten, so kurz vor Weihnachten. Die Engelchen waren sehr fleißig, es wurde gebohrt, geschraubt, gemalt und geklebt. Aus der Weihnachtsbäckerei duftete es nach Zimt und Lebkuchen.
Die Engel Balthasar und Boris waren in der Kissenwerkstatt eingeteilt. Das war nicht gerade Balthasar s Lieblingsort, denn er war ein wenig ungeschickt und oftmals etwas tollpatschig. Das wusste auch Boris. Dazu kam, dass wenn bei Balthasar etwas schief ging oder es nicht so lief, wie er es sich vorgestellt hatte, dann wurde er wütend und zwar richtig wütend. Das hatte schon der ein oder andere Engel zu spüren bekommen und aus diesem Grund hatten die anderen Engel auch kein großes Interesse daran, mit ihm zusammen zu arbeiten. Sie mussten heute Kuschelkissen mit Kuschelfedern zu befüllen, diese in Kartons packen und sie dann weiter zu den Nähmaschinen Engeln bringen. „Balthasar, mach mal etwas schneller.“ sagte Boris. „Du weist doch, dass wir heute alle Kissen befüllen müssen! Die Nähmaschinen Engeln warten auf uns!“ „Ja, ich mach ja.“ antwortete Balthasar schon leicht genervt. „Hallo, Balthasar! Hallo, Boris! Wie läuft es so bei euch? Ihr wisst, bis Heiligabend ist es nicht mehr lang, da muss alles fertig sein.“ sagte da der Oberengel Josef, der auf einmal hinter ihnen stand. „Der hat mir gerade noch gefehlt.“ dachte Balthasar. Er hatte nämlich das Gefühl, das der Oberengel Josef ihn so gar nicht mochte, ständig kontrollierte er ihn und machte einen Spruch. Als Balthasar antworten wollte, übersah er die bereits gefüllten und gestapelten Kartons neben ihm. Er stolperte, die Kartons fielen um und alle Kissen fielen heraus. Hunderte von Federn flogen durch die ganze Werkstatt. Boris, Balthasar und Josef mussten niesen. „So ein verdammter Mist.“ schrie Balthasar. „Oh man, Balthasar! Kannst du nicht einmal ein bisschen besser aufpassen? Du bist echt so tollpatschig! Jetzt müssen wir nochmal von vorne anfangen!“ schimpfte Boris ärgerlich.“ Balthasar spürte, wie die Wut in ihm ausstieg. Er trat mit dem Fuß gegen einen Karton, sodass auch die letzten Kissen und Federn herausflogen. „Hatschi. So ein Mist! Boris, ich hab’s nicht extra gemacht.“ „Ja, aber dir passieren immer solche Sachen und ich muss das hier mal wieder mit dir aushalten und aufräumen. Dazu habe ich echt langsam keine Lust mehr, verdammt!“ „Stopp!“ schimpfte der Oberengel Josef streng. „Ja, aber Josef sieh doch! Nur wegen ihm haben wir jetzt mal wieder die doppelte Arbeit!“ sagte Boris sichtlich genervt. Balthasar Gesichtsfarbe wechselte auf Dunkelrot, er stampfte ein weiteres Mal wütend mit dem Fuß auf den Boden und schaute Boris und Josef wütend an. „Aber ich habe es doch wirklich nicht extra gemacht, doch ihr glaubt mir ja sowieso nicht.“ Dann setzte er sich mitten in das Chaos. Boris schüttelte den Kopf, er hatte einfach keine Lust mehr auf diese Sachen. „Hört auf zu streiten ihr beiden. Balthasar hör auf hier herumzuschreien. Das bringt uns nicht weiter.“ sagte Josef. „Ich hole jetzt zwei Engelchen, die euch helfen werden, das Chaos hier wieder aufzuräumen. Dann kann die Arbeit von Neuem beginnen und danach sehen wir weiter.“ Ohne dass die beiden darauf antworten konnten, war Josef weg. „Na, die werden sich freuen.“ sagte Boris mit übel launiger Stimme und fing schonmal an, die Kartons wieder aufzustellen. Balthasar hatte Boris Kommentar gehört, er war immer noch wütend. Es dauerte eine ganze Weile, bis die vier Engelchen alles wieder so aufgeräumt hatten, dass sie mit der Arbeit neu starten konnten, denn die unzähligen Kuschelfedern hatten sich überall verteilt. „Die Arbeit kann weiter gehen.“ sagte Josef. „Diese zehn Kartons müssen bis heute Abend um acht Uhr bei den Nähmaschinen Engeln ankommen. Morgen früh machst du Boris bitte in der Malerwerkstatt weiter und du Balthasar kommst erstmal in mein Himmelsbüro. Für dich habe ich eine andere Aufgabe. Boris schien sichtlich erleichtert, dass er morgen nicht wieder mit Balthasar zusammenarbeiten musste, und Boris war es etwas mulmig zumute, weil er nicht wusste, was der Oberengel ihm morgen sagen würde. Also, los geht´s und bitte keine weiteren Zwischenwutanfälle.“ sagte Josef streng.
Sie nickten. Die Lust zu reden, war ihnen vergangen. Sie arbeiteten fleißig. Balthasar konzentrierte sich und zum Glück gab es keine weiteren Missgeschicke. Fast zwei Stunden später als geplant, waren die Kartons dann bei den Nähmaschinen Engeln.
Am nächsten Morgen saß Balthasar im Himmelbüro vom Oberengel Josef. „Guten Morgen. Wie geht es dir, Balthasar? Ich habe gehört, dass ihr die Arbeit dann doch noch fertigbekommen habt.“ „Ja.“ sagte Balthasar mit gesenktem Kopf. „Schau mich an, Balthasar. Die Sache gestern war blöd und deine Wutattacken sind es auch. Deswegen habe ich heute eine andere Aufgabe für dich, von der ich glaube, dass du dafür genau der Richtige bist.“ sagte Josef. Dann zog er einen großen Sack unter seinem Schreibtisch hervor. Auf der Erde, da gibt es Kinder, die sind manchmal so wie du. Natürlich gibt es auch Erwachsene, aber heute kümmerst du dich erstmal um die Kinder.“ „Was meinst du damit. Kinder, die so sind wie ich? Meinst du tollpatschig und wütend? Wie soll ich denen helfen und wie erkenne ich sie überhaupt?“ Josef lächelte. „Das wirst du schon. Du nimmst diesen Sack. Er ist gefüllt mit Kissen. Heute Abend, wenn es so langsam dunkel wird, steigst du die Himmelsleitern zur Erde herab. Geh durch die Straßen und halte Ausschau nach den Kindern, die dir sehr wütend an diesem Abend erscheinen. Die Kinder, die vielleicht eine Pause brauchen, und die, die deiner Meinung nach Hilfe brauchen, um mit ihrer Wut besser klarzukommen. Diesen Kindern schenkst du ein Kissen und dann beobachtest du sie. Pass aber gut auf, dass dich jemand sieht. Du weißt ja, wir Engel, arbeiten lieber geheim auf der Erde.“ Josef gab Balthasar den Sack. „Josef, und du glaubst, dass den Kindern auf der Erde ein Kissen gegen Ihre Wut hilft?“ fragte Balthasar skeptisch. „Ja, ich glaube daran. Denn ein Kissen ist mal sanft und hält auch mal was aus. Ich bin gespannt, was du mir morgen berichtest. Bis dahin gebe ich dir heute frei. Ich muss jetzt zu den anderen Engeln und schauen, ob da alles läuft. Mach s gut, Balthasar!“ Der Oberengel Josef verließ sein Himmelsbüro und Balthasar blieb noch eine Weile dort sitzen. Er dachte nach. „Mmm, ein Kissen gegen Wut. Wie würde ich das finden?“ Durch all das Nachdenken war er wohl eingeschlafen. „Balthasar! Hattest du nicht eine Aufgabe zu erledigen?“ Balthasar erschrak. Neben ihm stand Josef. Draußen wurde es schon dunkel. „Aber ja, na klar.“ sagte Balthasar und sprang auf. Dabei wäre er fast über den Sack mit den Kissen gestolpert, konnte sich aber gerade noch abfangen. „Ich bin schon weg.“ rief Balthasar. Josef schüttelte den Kopf, schaute ihm hinterher und murmelte: „Dieser Balthasar, das ist vielleicht einer.“
Unten auf der Erde angekommen, musste Balthasar gut aufpassen, nicht gesehen zu werden. Die Menschen waren ebenso in den Weihnachtsvorbereitungen, wie die Engelchen im Himmel. Er schaute in die Häuser und tatsächlich entdeckte er wütende Kinder. Einige von ihnen schrien laut, andere warfen Sachen durch die Gegend und wieder andere sagten Worte, die nicht wirklich schön waren. So wurde der Sack von Balthasar nach und nach leerer, er legte geschickt und ungesehen die Kissen zu den Kindern und schaute ihnen zu. Verwundert schauten die Kinder, als sie die Kissen entdeckten und ihre Reaktionen darauf waren ebenso verschieden, wie sie selbst. Einige hauten auf das Kissen drauf, andere warfen es mehrmals durch das Zimmer und andere weinten hinein. „Wie unterschiedlich doch die Wut aussehen kann?“ dachte Balthasar. „Das ist schon ziemlich spannend.“ Balthasar saß noch eine ganze Weile auf der Erde. Er nahm sich vor nicht mehr so oft so wütend und ungerecht zu werden. „Dann habe ich am Ende bestimmt wieder mehr Freude im Himmel und die anderen Engelchen freuen sich bestimmt auch. Ich glaube, ich besorge mir auch mein eigenes Wutkuschelkissen. Doch jetzt muss ich zurück in den Himmel. Josef wartet bestimmt schon auf mich und es gibt ja noch viel zu tun bis Heiligabend.“ sagte Balthasar zu sich selbst.
Er wollte gerade den leeren Sack zusammenfalten und die Himmelsleitern wieder hinaufsteigen, da entdeckte er, dass noch ein Kissen im Sack übriggeblieben war. Es war in seiner Lieblingsfarbe dunkelblau mit etwas Glitzer.
Da musste Balthasar lächeln…